E-Vergabe verstehen

Fast eine Woche hatte sich Mustafa Bas Zeit genommen, bis er sein erstes Angebot auf eine elektronische Ausschreibung zu seiner vollsten Zufriedenheit fertig gestellt hat. Inzwischen benötigt er dank der gewonnenen Erfahrungen nur noch drei bis vier Stunden für ein professionelles Angebot auf eine Ausschreibung. Zusammen mit seinem Bruder Ali, Handwerksmeister, leitet der Dipl.-Kaufmann die Leiss GmbH in Bielefeld-Hillegossen.

Die Brüder haben das Metallbauunternehmen 2018 vom Gründer Erich Leiss übernommen. Die Unternehmensnachfolger haben einen Schwerpunkt auf den Türen- und Fensterbau gelegt. Gerade im Türenbau setzen sie auf kreative Gestaltung auch mit Cortenstahl oder brüniertem Messing. Metallarbeiten für Garten, Landschaft, aber auch für Werbetechnik und Messebau gehören ebenso ins Programm wie künstlerische Metallgestaltung. Bekannt in Bielefeld ist die Gedenktafel für die Opfer der rechtsradikalen Terrorgruppe NSU am Kesselbrink. Als verlängerte Werkstatt für Unternehmen führen sie Auftragsarbeiten aus. Ein weiteres Standbein ist der Vertrieb von Komfortsitzen für Automobile. Um mehr Beinfreiheit für „große“ Fahrerinnen und Fahrer zu schaffen, haben sie spezielle Schienen entwickelt, die sie selbst herstellen und ins Fahrzeug einbauen. Das Geschäft der Leiss GmbH läuft rund, die zehn Angestellten haben gut zu tun. Auch der kürzlich eingerichtete Online-Werksverkauf von im Unternehmen gefertigten Fenstern und Türen findet großes Interesse. Dennoch wollte sich das Brüderpaar die „Welt der elektronischen Vergabe“ erschließen. 

Proaktiv nahmen sie Kontakt mit Mathias Steinbild, stellvertretender Leiter des Geschäftsbereichs Wirtschaft und Recht der Handwerkskammer OWL, auf. „Die öffentliche Hand zählt zu den größten Auftraggebern“, betont Steinbild, dieses Potenzial sollten auch kleinere Betriebe keinesfalls außer Acht lassen. Momentan sei der Markt der privaten Aufträge stark. Steinbild rät dazu, antizyklisch zu denken, und sich gerade jetzt mit der elektronischen öffentlichen Auftragsvergabe zu beschäftigten. Das erste Treffen erfolgte in der Handwerkskammer. Zunächst nahmen Mathias Steinbild und Mustafa Bas das Landesportal NRW, evergabe-online.nrw, und das Vergabeportal des Bundes, evergabe-online.de, genauer in Augenschein. „Zunächst wirken die vielen angehängten Dateien wie ein Hemmschuh“, betont Mustafa Bas. Durch ein gemeinsames und systematisches Vorgehen, sei es Steinbild gelungen, Licht in den PDF-Dschungel zu bringen. „Die Dokumente sind in den verschiedenen Plattformen unterschiedlich angeordnet“, beschreibt Bas eine Hürde, darüber hinaus unterschieden sich auch die technischen Verfahren: In Nordrhein-Westfalen müsse eine spezielle Software heruntergeladen werden, die Bundesstelle biete ein Online-Verfahren an. Europaweit ist die Interseite xvergabe.org  die Plattform für Ausschreibungen, dort gibt es schon einheitliche Standards für regionale und nationale Ausschreibungen.

„Wir setzen uns dafür ein, dass es einheitliche Standards gibt sowohl in den Bundesländern als auch auf Bundesebene“, betont Steinbild, dem die Unterschiede und der damit verbundene extrem hohe Aufwand für Handwerksbetriebe ein Dorn im Auge ist. „Ich setze mich, bevor ich loslege, intensiv mit der Ausschreibung auseinander, um genau zu verstehen, was der Auftraggeber möchte“, betont Bas, das vermindere den Arbeitsaufwand. Das Ausschreibeverfahren nutzt er auch, um sein Angebot mit denen anderer Bieter zu vergleichen. Seinen handwerklichen Berufskolleginnen und -kollegen rät er, sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen. Die Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer und Mathias Steinbild, der sich im Baurecht bestens auskennt, sei optimal gewesen.

Am 27.10.2022 findet im Campus Handwerk eine Informationsveranstaltung zur elektronischen Vergabe für Bieter an. Interessierte Betriebe können sich hier anmelden.