Materialmangel
HWK OWL

Materialengpässe bremsen viele Gewerke im Handwerk aus

17.09.2021

Aktuell zeigt sich vermehrt, dass die durch die Materialknappheit ausgelösten Lieferengpässe und Preissprünge die finanzielle Situation in den Betrieben verschärfen. Da viele Lieferanten nur noch Tagespreise angeben, wird die Erstellung von Angeboten erschwert bis unmöglich: Preiskalkulationen und Angebote können nicht eingehalten werden, folglich müssen Aufträge verschoben oder ganz abgesagt werden. Je nach Branche und je nach Artikel gibt es beim Material Preissteigerungen von 50 bis 300 Prozent.

Diesen Zustand bestätigt auch Max Schröder, Elektrotechnikermeister und Inhaber von Elektro Schröder in Bielefeld. Er schildert, dass Liefertermine, die über ein halbes Jahr im Voraus geplant seien, teilweise nicht ausreichen würden, um die benötigten Materialien zu bekommen. „Man kann ja fast von Glück reden, dass durch den Fachkräftemangel die Vorlaufzeiten ohnehin so lang sind, dass man fünf bis sechs Wochen Lieferzeit auf manche Artikel kaum bemerkt. Lade-Wallboxen für Elektroautos haben jedoch noch deutlich längere Lieferzeiten, teilweise gibt es gar keine Liefertermine, sodass man lange feststehende Termine dann doch absagen muss,“ berichtet der Elektrotechnikermeister. „Neben zeitlichen Verzögerungen müssen wir unseren Kunden jetzt auch noch über enorme Preissteigerungen informieren. Mich wundert es nicht, wenn der Kunde am Ende enttäuscht ist. Mich ärgert am meisten, dass dies immer als unausweichliche Entwicklung geschildert wird, dabei ist es vielfach das Resultat von Einsparmaßnahmen der Industrie“, macht Max Schröder seinen Frust über die momentane Lage deutlich.

Auch die Unwetterkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz bringt Auswirkungen mit sich, die die Lieferengpässe weiter verstärken. „Einige unserer Zulieferer hatten Produktionsausfälle, beschädigte oder zerstörte Lager und die weiteren Auswirkungen davon sind immer noch spürbar. Großhändler haben im Rahmen von Soforthilfemaßnahmen, die natürlich richtig waren, die Flutopfer unterstützt, was jedoch nun an anderer Stelle zu Engpässen führt“, erklärt Dipl.-Ing. Torsten Finke, Geschäftsführer der Finke Haustechnik und SHK-Obermeister in Bielefeld.

Die aktuelle Situation der Handwerksbetriebe ist durch eine große Planungsunsicherheit gekennzeichnet. Auch die Personalplanung kann momentan nicht effizient betrieben werden. „Aufträge sind ausreichend vorhanden, müssen aber kurzfristig verlegt oder verschoben werden. Daraus resultiert das Problem, die Monteure anderweitig beschäftigen zu müssen, was leider nicht immer möglich ist. Es entstehen unproduktive Stunden, welche nicht abrechenbar sind.“ Ein weiterer Faktor, der den Arbeitsalltag von Torsten Finke und seinem Team belastet.

Andreas Oberjohann, Geschäftsführer der W. Oberjohann GmbH und Heiner Dresrüsse, Geschäftsführer der Heiner Dresrüsse GmbH und Vizepräsident der Handwerkskammer, beide Mitglied in der Innung des Metallhandwerks Bielefeld, sind mit ihrem Gewerk in voller Breite betroffen. „Viele Kunden nehmen die Wartezeit in Kauf. Wir als Betriebe gucken, dass wir schnellstmöglich das ganze Material bestellen - aus Angst, in die nächste Verteuerung zu rutschen. Das bedeutet zugleich, dass die Vorhaltung an Rohware nun zunimmt“, berichtet Andreas Oberjohann von der Situation, in der sich momentan nahezu alle Baugewerke befinden.

Diese enorme Belastungssituation erzeugt Frust sowohl auf Unternehmens - als auch auf Kundenseite. Handwerksbetriebe mussten in diesem Jahr zum Teil die dritte Preissteigerung hinnehmen. „Im Feinblechbereich sind die Preise exorbitant nach oben geschossen. Und wenn man Pech hat, muss man über zwölf Wochen auf Feinbleche warten. Die Händler halten sich zurück und sagen, dass sie für die Waren noch keinen festen Preis nennen können, weil innerhalb der Lieferzeit wieder eine Preissteigerung möglich ist. So darf und kann es nicht weitergehen“, so Heiner Dresrüsse. „Eine Preisgleitklausel ist die einzige Möglichkeit, dass im Falle von Verzögerungen der Preis nochmal nachverhandelt werden kann. Sonst bleibt alles am Betrieb hängen. Die Politik muss handeln und zwar jetzt“, fordert Heiner Dresrüsse.